Beim Einzug zum Grenzlandfest richten sich jedes Jahr die Fotoapparate und Videokameras besonders auf einen Akteur: Den Zwieseler Fahnenschwinger. Ein kräftiger Mann in Zwieseler Tracht auf einem pferdebespannten Wagen schwingt die Fahne der Waldstadt.
Das Fahnenschwingen als Kraft- und Geschicklichkeitsspiel ist heute kaum noch bekannt, hatte aber in Zwiesel früher eine große Bedeutung. Bei Festen der Bürgerwehr, der Feuerschützen oder bei Kirchweihen wurden sogar Wettbewerbe veranstaltet. Der Schriftsteller Paul Friedl beschrieb das im Zwieseler Heimatbuch folgendermaßen: "Dabei waren Fahnen in drei oder mehr verschiedenen Größen und Längen, an einer drei Schuh langen Stange befestigt, eine bestimmte Zeit (meist 5 Minuten) so zu schwingen, dass sie sich nicht falteten oder rollten und nicht zusammenfielen. Die Fahnenschwinger schwangen dabei die Tücher in kunstvollen Figuren im Kreis und Achter, und vollbrachten dabei, mit Fahnen von drei und mehr Meter Länge, einzigartige Kraftleistungen. Den Besten winkten Preise."
In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts sind die letzten dieser Wettbewerbe abgehalten worden. Als man nach dem Zweiten Weltkrieg daranging, ein Plakat für das Grenzlandfest zu gestalten, besann man sich wieder auf die Festbelustigung in früherer Zeit. Den Gestaltungswettbewerb für das neue Plakat gewann der damals in Zwiesel lebende Maler Rudolf Misliwietz mit der Darstellung des Fahnenschwingers. Seit 1949 ist dieser nicht nur Sinnbild des Grenzlandfestes, sondern dient neben dem Zwieseler Ritter der Glasstadt insgesamt als Symbol.
Seit vielen Jahren eingebunden in das Grenzlandfest und den Festeinzug ist die Bayerwaldkapelle Zwiesel. Die Geburtsstunde dieser Gruppe schlug im Juli 1948 in der Schneiderwerkstatt von Hans Kilian am Binderanger. Dort trafen sich einige musikbegeisterte Männer und beschlossen, eine Kapelle zu gründen, der man damals aber noch keinen Namen gab. Nachdem als Musikleiter Georg Breu bestimmt wurde, hieß sie kurzerhand "Breu-Kapelle", was sich bis heute in der Bevölkerung von Zwiesel gehalten hat. Als 1949 Hans Schwed aus der Kriegsgefangenschaft zurückkam und zu diesen Musikanten stieß, löste das eine Verjüngung der Kapelle aus. 1952 spielte man erstmals auf einem Volksfest. Es war in Eging und bei dieser Gelegenheit kam die Bayerwaldkapelle auch zu ihrem Namen.
Dem folgten viele Auftritte bei Festen in der näheren und weiteren Umgebung, so z.B. in Regen, Lam, Furth im Wald oder Aldersbach. Bald traute sich die junge Gruppe aber auch weiter "in d Weit auße" und spielte beispielsweise im Würzburger und Mainzer Raum oder bei Schützenfesten in Recklinghausen und Bissendorf auf.
Nach 40 Jahren übergab Georg Breu den Dirigentenstab 1988 an seinen Enkel Fritz Kufner. Ab 1995 leitete dessen Bruder Thomas Kufner die Kapelle, heute ist Michael Ruderer der Kapellmeister. In den letzten Jahren gab sie auch zahlreiche Gastspiele außerhalb Bayerns, wie etwa in Osnabrück oder Hamm. Als Botschafter waldlerischer Kultur wurde die Bayerwaldkapelle überall herzlich aufgenommen. Sie pflegt aber nicht nur bayerisch böhmische Blasmusik, sondern beherrscht auch modernen Big Band Sound und konzertante Klänge.
Wichtiger Bestandteil des Grenzlandfesteinzuges ist seit Jahrzehnten der Zwieseler Heimatverein. Auf einem pferdebespannten Wagen der Fahnenschwinger als Fest- und gleichzeitig Vereinssymbol, gefolgt von einer großen Schar Trachtler – so erwartet man jedes Jahr den Auftritt dieses Vereins. Er kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Im Mai 1927 gründete der Schriftsteller, Volksmusikant und Brauchtumspfleger Paul Friedl mit neun Gesinnungsgenossen den Heimatverein. Grund war der Niedergang der Volkstrachten zum Ende des 19. Jahrhunderts und das Bestreben einiger danach gegründeter Trachtenvereine, im Bayerwald die oberbayerische Gebirgstracht einzuführen. Der junge Verein setzte sich zum Ziel, bodenständige, waldlerische Tracht und heimisches Volksgut zu pflegen.
Die rührigen Mitglieder bildeten Sing-, Spiel- und Tanzgruppen und bereits im Jahre 1935 ging man auf Deutschlandtournee. Dabei brachte eine Gruppe sogar in der Berliner Reichskanzlei dem greisen Reichspräsidenten von Hindenburg ihre Heimatlieder dar. Im Jahr 1936 erneuerte der Heimatverein dann erstmals die Waldlertracht, damit sie auch im sich ändernden Alltag tragbar bleibt. Auf Initiative von Paul Friedl und des Heimatvereins stiftete 1939 die Stadt Zwiesel den „Zwieseler Fink“, den damals einzigen Volksmusikwanderpreis in Europa.
Nach einer kriegsbedingten Pause blühte der Verein ab 1948 wieder auf und präsentierte sich in zahllosen Heimatabenden und Bayerischen Abenden den immer zahlreicher werdenden Feriengästen. Dabei wurde aber immer Wert darauf gelegt, das waldlerische Brauchtum unverfälscht darzustellen. Seit 1999 bereichern die Tanzgruppen des Vereins auch das Eröffnungsstandkonzert des Grenzlandfestes mit traditionellen Tänzen wie dem „Spinnradl“, dem „Triangl“ oder dem „Rutsch hi“. Sieht man dabei, mit welcher Begeisterung besonders die Kindertanzgruppe ihr Können zeigt, wird kein Zweifel aufkommen, dass auch in den nächsten Jahrzehnten der Heimatverein Motor der Zwieseler Volkstumspflege sein wird.
Beim Grenzlandfest sieht man immer mehr Besucher in Tracht; besonders die jungen lassen es sich nicht nehmen, zum Festbesuch eine zünftige Lederhose oder ein fesches Dirndl anzuziehen. Streng genommen ist dies keine Tracht, sondern eine Trachtenmode, was einem allerdings nicht daran hindert, mit ihr seine Einstellung zur bayerischen Tradition offen zu zeigen. Die Tracht war immer schon einer Veränderung und damit einer gewissen Mode unterworfen. Was früher dem Adel gefiel, gelangte mit einer zeitlichen Verzögerung über das städtische Bürgertum aufs Land. Wenn heute Grenzlandfestbesucher ohne jeden Zwang sich trachtlerisch kleiden, zeugt das trotzdem von ihrer Begeisterung für das Ursprüngliche und Bodenständige.
Beim Grenzlandfest wurden auch schon öfter Trachtenmodenschauen gezeigt. Trachtenmode ist eine im Alltag tragbare Kleidung, die sich bei Einzelheiten an Volkstrachten orientiert. Sie ist aber weder eine Nachfolgerin noch eine Ergänzung der Stammes- oder Standestrachten, die gelegentlich in Bayern noch anzutreffen sind. Im Gegensatz beispielsweise zu Teilen von Oberbayern ist die Tracht im Zwieseler Winkel aus dem täglichen Leben verschwunden. Dabei waren gerade in Zwiesel die Trachten sehr vielseitig und zeigten deutlich, ob der Träger Glasmacher, Bürger des Marktes, Bauer oder Häusler war.
Die Standestracht der selbstbewussten Glasmacher und Hüttenleute bestand beispielsweise aus einer schwarzen Kniehose mit einem halblangen Rock und einer dunkel gemusterten Samtweste. Bis ins 18. Jahrhundert hinein hatte der Glasmacher sogar das Recht, einen Degen zu tragen. Die einfachen Hüttenleute mussten sich stattdessen mit einer wesentlich schlichteren Tracht begnügen.
Beim Grenzlandfesteinzug ist die Tracht des Heimatvereins zu sehen. Dieser wurde 1926 gegründet, nachdem auch im Bayerwald vorübergehend versucht wurde, die oberbayerische Gebirgstracht einzuführen. Der Heimatverein erneuerte 1936 die historische Zwieseler Bürgertracht, die bei den Männern aus einem grünen Schoßrock, einer meist tuchenen Kniehose, weißen Strümpfen (an Feiertagen) sowie einer dunkelfarbigen Weste bestand. Die Bürgerinnen gingen im Seidenkleid; als Kopfbedeckung galt bei ihnen die Riegelhaube. Die Heimatvereinsmitglieder wollen damit an die bodenständige Volkstracht erinnern, auch wenn deren Vielfalt und Aussagekraft durch Brauchtumsvereine leider nicht erhalten werden kann.
Das für Zwiesel typische Handwerk der Glasmacher darf beim Einzug zum Grenzlandfest nicht fehlen. Seit 1994 beteiligt sich der Dilettanten-Verein mit einer großen Gruppe in der Berufstracht der Glasmacher am Zug, die Männer mit Glasmacherpfeifen und anderem Werkzeug und die Frauen mit gezäunten Schwingen zum Transport der fertigen Gläser. Besonders bei den Feriengästen findet diese Gruppe immer wieder sehr große Beachtung wegen ihrer wirklichkeitsnahen Darstellung der Glaserleut. Sogar in originalen Holzschuhen wird gegangen, auch wenn nach dem langen Einzug die eine oder andere Blase zu behandeln ist.
Den etwas irreführenden Namen hat dieser Theaterverein aus seiner Gründungszeit. Im Jahre 1890 fanden sich Arbeiter der Glasfabrik Theresienthal zu einem Theater-Dilettanten-Verein zusammen, der sich zum Ziel setzte „ theatralische, musikalische und declamatorische Vorträge zu halten, hiedurch auf sittliche Bildung und Verbesserung des ästhetischen Geschmackes hinzuwirken“. Dabei wurde die Gruppe von Anfang an ihrem Namen nicht gerecht, weil die Chronik von sehr viel beachteten künstlerischen Leistungen berichtet. Nach Unterbrechungen wird der Verein 1906, 1950 und 1991 wieder belebt.
Im Jahr 1997 ging man mit Unterstützung des Grenzlandfestausschusses daran, die Glasmacher-Berufstracht nach historischen Vorlagen zu gestalten. Man trug alte Fotos aus Glashütten zusammen und entwarf eine einheitliche Tracht, jeweils für Männer und Frauen. In dieser Aufmachung sind die Dilettanten inzwischen zu Botschaftern der Glasstadt geworden, weil sie nicht nur bei örtlichen Veranstaltungen auftreten, sondern auch offizielle Anlässe andernorts umrahmen. So beteiligten sie sich beispielsweise 1997 am Oktoberfest-Trachten- und Schützenzug in München oder übergaben 1999 an den Bundespräsidenten Johannes Rau einen Christbaum als Geschenk der Waldstadt Zwiesel.
Die Idee hatte der damalige Inhaber der Janka-Brauerei Andreas Falk: Es sollte eine charmante Regentin das heimische Glas als wichtigstes und bekanntestes Zwieseler Produkt repräsentieren. Beim Grenzlandfestausschuss, bei der Werbegemeinschaft „Gläserner Winkel“ und beim Festwirt fiel diese Anregung auf fruchtbaren Boden. Zusammen mit dem Bayerwald-Boten lobte man 2003 den Titel einer Glaskönigin aus und prompt bewarben sich gleich 13 Mädchen und Frauen aus der Region. Man wollte bewusst keine Altersbegrenzung nach oben und auch keine enge räumliche Begrenzung. Eine Jury wählte aus den Bewerberinnen vier aus, die den Lesern des Bayerwald-Boten zur Wahl vorgeschlagen wurden. Als Siegerin ging die 21jährige Studentin Simone Molz aus Zwiesel hervor, die dann zwei Jahre lang mit medien- und publikumswirksamen Präsentationen den Bayerwald sowohl als Glas- als auch als Urlaubsregion erfolgreich vertrat. Ihre Auftritte führten sie zu zahlreichen Veranstaltungen im In- und Ausland bis hin zum Christkindlmarkt in Chicago.
Nach Ablauf ihrer Amtszeit 2005 wurde als neue Glaskönigin die 20jährige Abiturientin Ramona Wenzl gekürt, die als örtliche „Monarchin“ viele Termine bereicherte, von der Eröffnung der Glastage bis zum Besuch hochrangiger Politiker. Die Neuwahl 2007 fiel auf die 20jährige Kristina Harant; als Medienmanagement-Studentin brachte sie die besten Voraussetzungen für das Amt mit und zeigte sich bei zahlreichen Auftritten sehr engagiert.
Seit 2009 wird der Glaskönigin auch eine Glasprinzessin als Vertreterin und Unterstützung zur Seite gestellt:
2009-2011: Glaskönigin Kathrin Czysch mit Glasprinzessin Elena Brem
2011-2013: Glaskönigin Anja Weiß mit Glasprinzessin Miriam Schneck
2013-2015: Glaskönigin Julia Wagenbauer mit Glasprinzessin Verena Probst
2015-2017: Glaskönigin Andrea Herzog mit Glasprinzessin Riccarda Kroner
2017-2019: Glaskönigin Julia Sattler mit Glasprinzessin Kristina Bernreiter
Alle bisherigen Glasköniginnen verstanden es, ihre „Untertanen“ mit Ausstrahlung, Charme und Natürlichkeit zu verzaubern und das heimische Glas wie auch den Bayerischen Wald insgesamt in bestem Licht darzustellen.
Mehr Informationen zu Zwieseler Glaskönigin: glaskoenigin.zwiesel.de
Fester Bestandteil des Grenzlandfesteinzuges und vieler anderer Feierlichkeiten in Zwiesel ist der BRK Spielmannszug. Aus der Taufe gehoben wurde dieser Klangkörper 1959 durch eine Gruppe überwiegend junger Männer um den damaligen stellvertretenden Kolonnenführer Hermann Köstlmeier. Zu dieser Zeit besaß Zwiesel den einzigen Spielmannszug des Bayerischen Roten Kreuzes. Schon bald zeigte sich, dass die junge Truppe zu den Wegbereitern eines modernen Spielmannszugwesens gehört. So wurden 1964 erstmals Mädchen aufgenommen, was in ganz Niederbayern als Neuheit galt. Außerdem gehörten die Zwieseler Spielleute zu den Gründungsmitgliedern sowohl der Bayerwald-Spielmannszugvereinigung als auch des Landesverbandes Bayern für Spielmannszugwesen. Im Jahre 1982 legte man die Rotkreuzuniform ab und beschaffte eine in den Farben der Stadt Zwiesel gehaltene Heroldsuniform, die heute von etwa 30 Jugendlichen und Erwachsenen getragen wird. Zugführer ist derzeit Hermann Wellisch, der dieses Amt 1975 von Hermann Köstlmeier übernahm. 2009 konnte man im Rahmen des Grenzlandfestes das 50jährige Gründungsfest begehen.
An der Spitze des Grenzlandfesteinzuges marschieren jedes Jahr die Wolfauslasser auf den Festplatz. Sie erinnern damit an einen uralten Brauch, der sich hauptsächlich im Zwieseler Winkel erhalten hat, zurückzuführen auf die Hirten früherer Zeit. Ihre Aufgabe war es, die Tiere eines Bauern, meistens aber die der ganzen Bauern eines Dorfes den Waldsommer über zu hüten. Kühe und Schafe trieb man auf dorfnahe Weiden, während Jungrinder meist in den Hochwald mußten. Nicht selten wurden dazu die Bergwiesen, die sogenannten Schachten, benutzt, auf denen die Hirten mit ihren Herden lebten. Die Gefahr, dass Bären oder Wölfe Tiere aus dieser Herde rissen, war nicht gering. Durch das Läuten der den Rindern umgehängten Glocken versuchte man, Bären und Wölfe zu vertreiben. Zudem konnten verlorengegangene Tiere leichter gefunden werden, wozu auch noch heute Kuhglocken verwendet werden. Vielfach wird aber auch vermutet, dass man mit dem wilden Scheppern böse Geister vertreiben wollte.
Im Spätherbst dann wurden die Tiere wieder in den heimatlichen Stall geführt und die Hirten bezogen den Winter über meist ein kleines Häusl im Dorf, das der Bauer oder die Dorfgemeinschaft zur Verfügung gestellt hatten. Am Martinitag (11. November) durften sich die Hirten den Jahreslohn bei ihren Dienstherren abholen. Sie kamen mit den Kuhglocken, läuteten kräftig und schnalzten mit ihren Geißeln.
Heute gibt es zwar kaum noch Hirten im Bayerischen Wald, der Brauch des Wolfauslassens wird aber nach wie vor gepflegt. Die Burschen des Dorfes üben schon Wochen vor Martini das Geißelschnalzen, nachdem die Geißeln des Vorjahres wieder instandgesetzt wurden. Die Enden der Hanfstricke, Schnürl genannt, verschleißen und müssen regelmäßig erneuert werden. Sie werden von den Burschen selbst geflochten.
In den Tagen vor Martini zieht der „Wolf“ von Haus zu Haus. Er besteht aus dem „Hirter“ als Anführer, aus den Geißelschnalzern und den Burschen mit den Glocken. Die Geißelschnalzer sind in einer Reihe aufgestellt und schnalzen im Takt. Der „Hirter“, ausgestattet mit einem geschmückten „Hirterstecken“, versammelt seine Gruppe vor der Haustüre und klopft dem Hausherrn. Nachdem dieser öffnet, trägt der „Hirter“ den Spruch vor „Kimmt da Hirt mit seiner Girt...“
Dieser Spruch ist von Ort zu Ort etwas abgewandelt. Nach dem Spruch fragt der „Hirter“ seinen Wolf: „Buam hats oisamt do?“, worauf dieser mit „Ja“ antwortet. Weiter fragt der „Hirter“: „Geht koana mehr o?“, worauf er ein „Na“ hört. Schließlich kommt der Befehl vom „Hirter“: „Dann riegelts enk!“ Daraufhin beugen sich die Wolfauslasser vor und Schütteln die oft gewaltigen Kuhglocken hin und her, bis der „Hirter“ dann seinen Stecken hebt und den Takt angibt. Der Hausherr belohnt dann den „Wolf“ mit einem Geldstück oder sogar einem Geldschein. Als letztes Anwesen steuert man eine Gastwirtschaft an, wo der „Wolf“ dann ein letztes Mal auftritt und Stärkung in Form einer Brotzeit und einigen Maß Bier erhält.
Dieser ritualisierte Ausruf ist der jährliche Startschuß zum Grenzlandfest und das Anzapfen des ersten Festbierfasses ist Privileg des Bürgermeisters. Das war nicht immer so. Früher eröffnete die Zwieseler Volksfeste der Herr Bezirksamtmann oder ein anderer Würdenträger mit einem Hoch auf Seine königliche Hoheit und die Arbeit des Anzapfens mußte der Schankkellner erledigen. Diese Aufgabe blieb den Schankkellnern auch bis dann 1950 in München der volkstümliche Oberbürgermeister Thomas Wimmer den Bierschlegel und den Wechsel selbst in die Hand nahm und das erste Faß des Oktoberfestes anzapfte.
Er fand damit auch einen Nachahmer im Zwieseler Bürgermeister. Aber so richtig gelungen scheint das nicht zu sein, denn die Presse berichtet von der Eröffnung des Grenzlandfestes 1952: „Im Bierzelt stand der Bürgermeister mit dem schweren Schlegel vor dem ersten Banzen. Während ihm sonst mancher Wurf gelingt, der Schlag ging fehl, die köstlichen Tropfen verspritzten in sein Gesicht und seinen Anzug, statt daß sie durch seine Kehle rollten.“ Man sieht, dass einem bayerischen Politiker kaum etwas schlimmeres widerfahren kann, als beim Anzapfen vor vollem Fass und versammeltem Volk zu versagen. Und die Zuschauer verfolgen sehr genau, ob ihm gelingt, den Wechsel mit wenigen Schlägen fachmännisch in den Spund zu treiben.
Erfahrene Kommunalpolitiker wissen, dass man keinem trauen darf. Schon oft genug soll es vorgekommen sein, dass das Faß vor dem Anzapfen von einem „Bazi“ etwas geschüttelt wurde, es schon einige Zeit in der Sonne stand oder der Wechsel gar nicht die richtige Größe hatte. „Ausbaden“ muß es dann der Bürgermeister und der Spott folgt unumgänglich, wo doch jeder Tropfen verspritztes Bier einer Majestätsbeleidigung gleich kommt. Bürgermeister wissen auch, dass manche Wähler auf das Anzapfen eines Fasses akribischer schauen als auf politische Inhalte...