Am zweiten Grenzlandfestsonntag entsteht traditionell auf dem Anger ein besonderer Anziehungspunkt, von den Zwieselern als Kirta, also als Kirchtag bezeichnet. Dieser Jahrmarkt geht zurück auf die Kirchweih, im Bayerwald Kirwa genannt. Als solche feierte man bis vor wenigen Jahrzehnten die örtliche Kirwa, in Zwiesel am zweiten Sonntag im Juli, und die Allerweltskirwa am dritten Oktober-Sonntag.
Diese Feste mit gutem Essen, Trinken und Markt waren sehr beliebt und zogen auch Bewohner der umliegenden Gemeinden an. Man verband damit gerne Besuche bei Verwandten und Bekannten. Vor allem die mit der Kirwa verbundenen Märkte waren es, die die Zeiten überdauerten und sogar wuchsen. In Zwiesel gibt es davon neben dem Grenzlandfestkirta noch vier andere: den Weißer-Sonntag-Kirta am Sonntag nach Ostern, den Dreifaltigkeitskirta am Sonntag nach Pfingsten, den Septemberkirta am dritten Sonntag im September und den Oktoberkirta am zweiten Sonntag im Oktober.
Beim Kirta besorgte man sich früher vielfach jene Artikel, die im örtlichen Kramerladen nicht zu kriegen waren und die auch kein Hausierer anbot. So kamen die Wetzsteinhändler mit ihren Produkten, ein Lebzelter pries seine Lebkuchenherzen an und der Straubinger Feilenhauer war durch Generationen auf dem Zwieseler Kirta vertreten. Noch vor einigen Jahren konnte man vom Hammerschmied aus der Froschau Hacken, Hauen, Schaufeln und Heugabeln erwerben. Daneben gab es „türkischen Honig“, Seidentücher, Tabakspfeifen und und und ... Auch heute noch ist das Angebot sehr breit gefächert. Viele Zwieseler haben bestimmte Fieranten, bei denen sie immer wieder einkaufen und ihren Bedarf an Socken, Porzellan oder Hosenträgern decken und sich nebenbei gebrannte Mandeln oder eine Fischsemmel gönnen. Besonders geschätzt wird, wie schon vor Jahrzehnten, der Pani, das vorzügliche geselchte Pferdefleisch. Es ist nach wie vor für viele die Krönung des Kirtabesuches, bevor man sich dann der Anziehungskraft des Grenzlandfestplatzes hingibt.
Zum Rahmenprogramm des Grenzlandfestes gehört traditionell ein Glasflohmarkt an der Baumsteftenlenzstraße. Seit 1995 sind jährlich die privaten Händler und die Glashandwerker eingeladen, alles anzubieten, das aus dem zauberhaften Werkstoff Glas besteht. So können z.B. Bierkrügl, Weihwasserkessel, Kugeln für Christbaum und Gehänge, aber auch die begehrten Schnupftabakgläser einen neuen stolzen Besitzer finden. Es werden sowohl alte als auch neue Stücke angeboten, sei es für Sammler, zum Verschenken oder als Zierde für die häusliche Anrichte.
Besonders angesprochen sind Glashandwerker, ihre „Schinderarbeiten“ anzubieten. Gemäß alter Tradition haben Glaserleute das Recht, in Arbeitspausen und auch vor oder nach der üblichen Arbeitszeit für sich Werkstücke in der Glashütte herzustellen. Das hatte früher einen besonderen Sinn, nachdem Glasmacher lange Zeit kein Lehrberuf war. Die Einträger, sie standen auf der untersten Stufe der Berufshierarchie, mussten sich in ihrer Freizeit Fertigkeiten und Fähigkeiten aneignen, wollten sie zum Gehilfen oder gar zum Meister aufsteigen. So nutzten sie die Pausen oder den Feierabend, um sich fortzubilden und dadurch vielleicht beruflich und sozial vorwärtszukommen. Besonders bei älteren Glasmachern stand aber nicht mehr das Lernen im Vordergrund.
Die bei diesem „Schinden“ gefertigten Werke konnten die Glasmacher behalten und waren in der Hauptsache für seinen eigenen Haushalt bestimmt. Sie wurden aber auch vertauscht oder zur Aufbesserung des Lohnes verkauft.
In den heutigen Glashütten mit dem für unsere Zeit typischen Zeitdruck hat das „Schinden“ natürlich sehr an Bedeutung verloren, trotzdem bleibt es traditionelles Recht der Glasschaffenden. Ebenso wie früher entstehen dabei kunstvolle gläserne Einzelstücke.
Diese Besonderheiten, sehr häufig sind es Unikate, werden von den Glasmachern gelegentlich auch heute noch ihren Bekannten zum Kauf angeboten. Beim Glasflohmarkt haben alle Interessierten die Möglichkeit, schöne Stücke zu erhandeln, ohne besondere Beziehungen zu Glaserleuten zu haben. In der lockeren Atmosphäre eines Flohmarktes kann man suchen, vergleichen, handeln und mit Glück manch ausgefallenes Stück erstehen.
So heißt es in einem volkstümlichen Schlager. Das ist wohl richtig, aber man muss anfügen: Nicht nur. Die Böhmen sind zwar bekannt als sehr musikalisches Volk, dem aber die Bayern nicht sehr nachstehen. Beide legen sehr viel Wert auf Blasmusik und hier wiederum auf traditionelle Stücke, die oft über Generationen weitergegeben wurden, ohne dass es vieler Notenblätter bedurfte. Auch in Böhmen hat jedes Dorf, das etwas auf sich hält, eine Blasmusikgruppe und die wird, ebenso wie in Bayern, eingesetzt, wenn man ein würdiges Ereignis unterstreichen möchte. Aber auch eine häusliche Sitzweil oder ein Tanz im Wirtshaus sind es Wert, dass man seine Instrumente auspackt.
Wenn sie auch bei uns gerne erklingt, so kann man den Böhmen nicht abstreiten, dass sie die Polka erfunden haben. Der Tanz im Zweivierteltakt soll der Überlieferung nach 1830 von dem tschechischen Landmädchen Anna Slezák aus der Stadt Elbeteinitz geschaffen worden sein. Von Böhmen aus trat er seinen Siegeszug an über Bayern und Österreich. Heute ist die Polka auf allen Tanzböden weit und breit zu finden und wegen ihrer Fröhlichkeit und der raschen Drehung eine Musik, zu der gerne ausgelassen getanzt wird.
Hieß es früher im Bayerwald „Böhmische Musikanten sind da“, so suchte man schnell das Dorfwirtshaus auf, denn so ein Ereignis ließ man sich nur ungern entgehen. Auch beim Grenzlandfest heißt es immer wieder „Böhmische Musikanten sind da“ und treten mit bayerischen Gruppen in einen friedlichen Wettstreit. Der Zuhörer wird nicht nur von dem unvergleichlichen Charme der böhmischen Musik eingenommen, sondern kann auch die Unterschiede zur bayerischen Blasmusik entdecken und erleben.
Am Abend des letzten Grenzlandfestsonntages zeigt sich immer wieder das selbe Spiel: Nach Einbruch der Dunkelheit erhellen Blitze den Himmel über dem Festplatz, begleitet von heftigem Krachen. Plötzlich setzt auf dem gesamten Platz eine erstaunliche Hektik ein: Im Zelt verstummt die Musik, so mancher trinkt eilig seine Bierneige aus, die Schausteller löschen ihre bunten Beleuchtungen und wer es bisher versäumt hat, sucht sich noch schnell einen Stehplatz mit guter Sicht.
Während nun Tausende von Augenpaaren starr in den dunklen Nachthimmel gerichtet sind, kommt die große Stunde des Feuerwerkers. Fasziniert verfolgen die Zuschauer die zum Himmel steigenden Raketen und die herabfallenden Goldregen, bunten Lichtbälle und glitzernden Sternenregen. Begleitet wird das Spektakel von so manchem „Oooh!“ oder „Aaah!“, das durch die Menge geht.
Falls jemand am Fuß des Zwieselberges beobachtet, wie der Feuerwerker seine Komposition zusammenstellt, wird er vielleicht enttäuscht sein. Der sogenannte Abbrennplatz zeigt sich für einen Außenstehenden als eine Ansammlung von Gestellen und Röhren, verbunden durch Drähte und eine Systematik, die vielleicht Rückschlüsse auf den Ablauf des Feuerwerks erlaubt, ist für den Laien kaum erkennbar. Dennoch handelt es sich bei diesen Aufbauten um das Endergebnis präziser Planung, eine der wichtigsten und anspruchsvollsten Tätigkeiten des Feuerwerkers. Der zeitliche Beginn des Feuerwerks war früher ein umstrittenes Thema, dem einen zu früh, dem andern zu spät. Seit Jahren beginnt die Vorführung pünktlich um 22.30 Uhr.
Feuerwerke haben bei den Zwieseler Volksfesten eine lange Tradition. Schon aus dem Jahr 1889 wird von einem Feuerwerk berichtet, das Kosten von 120 Mark verursachte. In späteren Jahren brannte man statt dessen auf den den Markt umgebenden Höhen Bergfeuer ab, kam aber bald wieder auf das Feuerwerk zurück. Von 1952 bis 2015 sorgt die Firma Woesch aus Würzburg für das feurige Finale des Grenzlandfestes. Der jetzige Firmeninhaber Friedrich Woesch betreibt das Familienunternehmen bereits in dritter Generation. In den letzten Jahren gestaltete der Rabensteiner Patrick Hilgart den Lichterzauber am Schluss des Grenzlandfestes.